Parlament

Medienpreis Parlament 2024 an Autorenteam der „Zeit“ verliehen

10 Frauen und drei Männer stehen vor einer grauen Wand mit Bundestagsadler und Schriftzug Deutscher Bundestag und blicken in die Kamera.

Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (Sechste von rechts) mit den Journalistinnen und Journalisten des Autorenteams der Wochenzeitung „Die Zeit“, das den Medienpreis Parlament 2024 des Deutschen Bundestages gewann. (© DBT/Thomas Imo/Photothek)

„Warum haben Sie mitgemacht?“ Diese Frage stellten zwölf Autorinnen und Autoren der Wochenzeitung „Die Zeit“ 45 Beteiligten, die am 29. August 2020 in einem Pulk von rund 400 Personen versucht hatten, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Sie fragten nach den Motiven und danach, „ob sie es noch einmal täten“. Für das Ergebnis ihrer Recherchen, erschienen am 24. August 2023 auf fünf Seiten als „Titelthema: Sturm auf den Reichstag“, überreichte ihnen Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU/CSU) am Mittwoch, 6. November 2024, den Medienpreis Parlament 2024 des Deutschen Bundestages.

Einblicke in meist verschlossene Gedankenwelten

Die Journalistin Pinar Atalay (RTL), Mitglied der siebenköpfigen unabhängigen Jury des Medienpreises, berichtete, das „Zeit“-Autorenteam gehe „den persönlichen Geschichten der Stürmenden nach“, zeige die Gesichter und erzähle die Einzelschicksale jener, „die – als Masse gestärkt – am 29. August 2020 den Reichstag angriffen“. 

Das Autorenteam, bestehend aus Lale Artun, Christian Fuchs, Astrid Geisler, Anne Kunze, Dominik Lenze, Bastian Mühling, Kim Lucia Ruoff, Christina Schmidt, Amonte Schröder-Jürss, Jana Simon, Eva Sudholt und Dr. Stefan Willeke, arbeite auf höchstem Niveau daran, „den Leserinnen und Lesern Einblicke in Gedankenwelten zu geben, die meist eher verschlossen bleiben“. Somit trügen sie dazu bei, „das Geschehen und das Warum besser zu verstehen, und das ist höchst preiswürdig“, urteilte Atalay.

Die Jury-Vorsitzende Prof. Dr. Claudia Nothelle von der Hochschule Magdeburg-Stendal nannte den Beitrag ein „Meisterstück der dokumentarischen Distanz“. Die Journalistinnen und Journalisten hätten die Stimmen sprechen lassen – „ohne Glorifizierung, ohne Urteil, ohne belehrenden Zeigefinger. Sie schaffen ein klares Protokoll, das Raum gibt, die Gefahren selbst zu erkennen“. 

Der Petitionsausschuss: Demokratie vom Fließband

Von den 55 eingereichten Beiträgen nominierte die Jury drei für die Preisverleihung, wie Jurymitglied Anita Fünffinger (Bayerischer Rundfunk) mitteilte. Nominiert waren auch ein Text der „Spiegel“-Politikredakteurin Sophie Garbe über die Arbeit des Petitionsausschusses des Bundestages und ein Radiofeature der freien Hörfunk-Journalistin Lydia Jakobi über den Humor im Parlament. 

Demokratie vom Fließband“ hatte Garbe ihren am 3. Juni 2023 im Nachrichtenmagazin veröffentlichten Bericht überschrieben, in dem auf vier Seiten an konkreten Beispielen dargestellt wird, mit welchen Sorgen und Anliegen die Menschen sich an die 30 Abgeordneten des Ausschusses wenden und auf Hilfe hoffen. „Es geht um Schicksale, Kämpfe – und oft ums Scheitern“, heißt es einleitend. 

„Der Text ist nicht nur eine Hommage an die Demokratie, sondern auch eine schonungslose Bestandsaufnahme“, begründete Jurymitglied Jan Hollitzer von der Thüringer Allgemeinen die Nominierung des Beitrags, mit dem Sophie Garbe ein „tieferes Verständnis für die parlamentarischen Themen und Abläufe“ vermittele.

Radiofeature zur Heiterkeit im Parlament

Das halbstündige Radiofeature mit dem Titel „Bitte lächeln – Schoten, Scherze und Humor im Parlament“, das am 24. April 2023 im Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt wurde, ist ein Streifzug durch Debatten seit den fünfziger Jahren, in denen das Protokoll Heiterkeit, schallende Heiterkeit und sogar stürmische Heiterkeit vermerkt, vom rheinischen Abgeordneten August Dresbach über Herbert Wehner und Franz Josef Strauß bis zu den Frotzeleien zwischen Norbert Lammert und Gregor Gysi. Autorin Lydia Jakobi verbindet diese Reminiszenzen mit Kommentaren aus der Wissenschaft zur Funktion von Humor in Politik und Parlament.

Jurymitglied Marc Felix Serrao von der Neuen Zürcher Zeitung urteilte, der Beitrag räume mit dem Klischee auf, das deutsche Parlament sei irgendwie ein dröger Ort. Im Bundestag habe es schon immer geistreiche Redner gegeben, die auf „hemdsärmelige Weise unterhaltsam waren“. Jakobis Feature habe einen „sehr angenehmen, entspannten Grundton“ und behaupte nicht, dass es früher besser und lustiger gewesen sei.

Magwas dankt für kluge Berichterstattung

Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU/CSU) lobte eingangs, die nominierten Beiträge kombinierten alles, was man von gutem Journalismus erwarte: Information, Investigation, Analyse und auch Kritik, Zuspitzung und Unterhaltung. Dies lasse die Abgeordneten ihre eigene Arbeit reflektieren, sorge aber auch dafür dass „die Arbeit unseres Parlaments vermittelt wird“. 

Politikerinnen und Politiker beklagten sich oft über „die Medien“, vor allem, wenn Dinge wissentlich zugespitzt oder durch Verkürzung missverständlich dargestellt würden, sagte die Bundestagsvizepräsidentin. Wichtiger sei jedoch, dass sie dankbar seien für den „weit überwiegenden Teil sorgfältiger, fachkundiger und kluger Berichterstattung, die uns und unsere Arbeit auch immer wieder hinterfragt“. 

Magwas dankte den Medien dafür, dass sie dazu beitragen, den Alltag und die Abläufe des Deutschen Bundestages besser verständlich zu machen, dass sie den „Facettenreichtum der Politik und ihrer Akteure beleuchten und die bisweilen verschlungenen Wege, auf denen der Bundestag zu politischen Lösungen komm“. All dies sei auch ein Dienst an der demokratischen, aufgeklärten Gesellschaft. Mit Blick auf den Gewinnerbeitrag und das Thema der Sicherheit des Parlaments fügte Magwas hinzu: „Wir sind nicht naiv, wir sind eine wehrhafte Demokratie!“

Würdigung herausragender publizistischer Arbeiten

Mit dem seit 1993 vergebenen und mit 5.000 Euro dotierten Medienpreis würdigt der Bundestag „herausragende publizistische Arbeiten“, die zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen und zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Abläufe, Arbeitsweisen und Themen beitragen. Die eingereichten Arbeiten für das diesjährige Preisverfahren mussten zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2023 in Tages- oder Wochenzeitungen und in Online-Medien erschienen oder in Rundfunk oder Fernsehen ausgestrahlt worden sein. 

Der von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas für die Dauer der Wahlperiode berufenen Fachjury gehören an: Prof. Dr. Claudia Nothelle (Hochschule Magdeburg-Stendal/Juryvorsitzende), Pinar Atalay (RTL), Shakuntala Banerjee (ZDF), Anita Fünffinger (Bayerischer Rundfunk), Tina Hildebrandt (Die Zeit), Jan Hollitzer (Thüringer Allgemeine) und Marc Felix Serrao (Neue Zürcher Zeitung). (vom/08.11.2024)